Gut ein halbes Jahr ist es jetzt her, dass ich meine Markteinschätzung zum ersten Mal veröffentlicht habe. Seitdem ist eine Menge passiert, eine neue Regierung hat Deutschland zwar noch nicht, aber der DAX hat historische Höchststände von über 13.500 Punkten erreicht und ist in den letzten Wochen um mehr als 1.000 Punkte gefallen. Dies nehme ich zum Anlass, um meine Markteinschätzung zu aktualisieren, was ich in Zukunft häufiger machen werde.
Wie zuvor auch gilt, dass meine Perspektive durch eine langfristige Orientierung und fundamental-analytisch ausgerichtet ist. Um meine Einschätzung zu vervollständigen ergänze ich drei technische Indikatoren.
Allgemeine wirtschaftliche Lage
Die Indikatoren für die allgemeine wirtschaftliche Lage (ifo Geschäftsklima, ZEW Konjunkturerwartungen, Industrieproduktion, etc. – für eine ausführlichere Liste vgl. Artikel Kurstreiber Fazit) zeigen im Querschnitt für Deutschland und Europa weiterhin das Bild einer soliden Entwicklung. Die zuletzt monatlich regelmäßig anziehenden Barometer haben sich mittlerweile auf hohen Niveaus eingepegelt. Bei den Amerikanern ist es ähnlich. Hier ist die Steuerreform aus dem Dezember hervorzuheben, die sich positiv direkt auf die Unternehmensgewinne auswirkt. Von konjunktureller Seite sind also weiterhin hohe bzw. sogar steigende Erträge möglich, was gut für die Unternehmensgewinne ist.
Ölpreis
Der Ölpreis (Brent) war im Januar sogar wieder über 70 USD/BOE gestiegen, was die gesunde Aktivität in der Wirtschaft untermauert. Ganz langsam könnte man vielleicht sogar wieder dazu übergehen, den Ölpreis als Belastungsfaktor für die Unternehmens-gewinne zu sehen, wäre dieser im Zuge der Korrektur an den Finanzmärkten nicht auch wieder unter die Marke von 60 USD/BOE gefallen. Damit bezeichne ich diesen für die Unternehmensgewinne weiterhin als vorteilhaft.
Inflation
Die Inflation in Europa und den USA liegt weiterhin zwischen 1% und 2%, was als Zielniveau angesehen wird. In den USA senden die Daten vom Arbeitsmarkt (die Quote ist niedrig und jetzt beginnen die durchschnittlichen Stundenlöhne zu steigen) ein Inflationssignal. Deflation ist zumindest kein Thema mehr. Für die Unternehmens-gewinne ist die Inflationssituation weiterhin positiv.
Zinsen
In den USA hat die Zentralbank im Dezember bereits mit einer Erhöhung der Leitzinsen auf 1,5% auf die gute wirtschaftliche Lage und die ersten Anzeichen für Inflation reagiert. Vom neuen Präsident der FED wird erwartet, dass er den eingeschlagenen Zinserhöhungs-Kurs fortsetzen wird. In Europa ist noch nichts dergleichen passiert, jedoch wird davon ausgegangen, dass 2018 das bereits verringerte Anleihenankaufprogramm endet und die Zinswende verbal vorbereitet wird. Momentan gilt jedoch erstmal weiterhin ein Leitzins von 0%, was für die Unternehmensgewinne natürlich besser nicht sein könnte.
Wechselkurs
Diese Annahme spiegelt sich auch im Wechselkurs von EUR und USD wieder. Seit Anfang 2017 wertete der EUR gegenüber dem USD von etwa 1,05 USD/EUR auf derzeit etwa 1,25 USD/EUR auf. Die Investoren gehen also davon aus, dass die Zinsen in Europa relativ zu denen in den USA ansteigen werden. Für die Unternehmensgewinne ist ein starker EUR eher schlecht, macht er doch europäische Waren für Ausländer teurer. Auf dem derzeitigen Niveau schätze ich ihn für die Gewinne als neutral ein.
Insgesamt betrachtet, kann vonseiten der wirtschaftlichen Lage, des Ölpreises, der Inflation, des Zinsniveaus und des Wechselkurses das Umfeld für die Unternehmensgewinne in Deutschland weiterhin als sehr positiv angesehen werden, so dass hohe Aktienkurse durch schöne Gewinnaussichten gut unterstützt sind.
Zinsniveau
Der weiterhin niedrige Zinssatz von 0% als Quotient bei der Diskontierung betrachtet, rechtfertigt ebenfalls hohe Notierungen an den europäischen Aktienmärkten.

Bewertungsniveau
Wie hoch die Aktienkurse sind, kann man messen, indem man sie ins Verhältnis zu den Unternehmensgewinnen setzt. Ich mache das, indem ich den Jahresschlusskurs (für 2018 den vom 16.02.) des DAX-Kursindex durch die Dividendensumme des DAX (mit 10 multipliziert) des jeweiligen Jahres teile (für 2018 die Dividendensumme von 2016). Heraus kommt eine Kennzahl, mit der man das Niveau des Index zu verschiedenen Zeitpunkten vergleichen kann. Diese zeigt, dass der DAX sich mit 18,2 x derzeit auf einem Niveau knapp unter dem Durchschnitt von 19,4 x befindet.
Gold
Die Prüfgröße Gold, in ihrer Funktion als Krisenwährung ebenfalls ein Indikator für die Lage an den Finanzmärkten, kann zur Validierung der Markteinschätzung herangezogen werden.
Derzeit liegt der Goldpreis bei etwa 1.350 USD/Feinunze. Das ist gut 100 Dollar höher als vor einem halben Jahr und weiterhin als neutral zu sehen. Rekordstand war etwa 2011 1.880 USD/Feinunze.
Technische Analyse
Zur Abrundung der Betrachtung erfolgt noch ein kurzer Blick auf drei Indikatoren aus der technischen Analyse. Zur Einschätzung des kurz-, mittel- und langfristigen Trends des deutschen Aktienmarkts werden die drei gleitenden Durchschnitte über 20, 50 und 200 Tage des DAX-Performance-Index betrachtet. Das ist eine übliche Vorgehensweise und soll, wie ein Stimmungsbarometer, die durchschnittliche Einschätzung der Investoren widerspiegeln. Mit dem Rücksetzer des Marktes Anfang Februar haben alle drei Indikatoren die Richtung gewechselt und zeigen für den DAX jetzt einen Abwärtstrend an.
Zusammenfassung
Das aktuelle Niveau der Börsenkurse ist vor dem Hintergrund der betrachteten Indikatoren gerechtfertigt, am Vergleichsmaßstab gemessen ist gegenüber früheren Bewertungsniveaus keine Übertreibung zu erkennen.
Sich eine Meinung zu bilden, wohin sich die Indikatoren entwickeln werden und zu folgern, was das für die Aktienkurse bedeutet, ist Aufgabe jedes einzelnen Marktteilnehmers.
Vorstehendes ist als Beispiel zu sehen, welche Größen man bei der Meinungsbildung über die Lage an den Finanzmärkten berücksichtigen könnte.
Wie immer gilt es zu beachten, dass es an den Börsen auch trotz sorgfältiger, nachvollziehbarer Überlegungen, anders kommen kann, als diese folgern lassen. Die Zukunft kennt keiner, eine Meinung begründet lediglich eine Erwartung, dass muss einem bewusst sein.